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Stellungnahme zum „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“

Berlin, den 13.09.2019

Die sehr angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt macht es erforderlich, dass sich die Politik der großen gesellschaftlichen Herausforderung – dem Erhalt und der Schaffung bezahlbaren Wohnraums – stellt. Die LIGA Berlin begrüßt es ausdrücklich, dass mit dem Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG)“ ein weiterer Schritt in Richtung Problemlösung unternommen wird.

Der kontinuierliche Anstieg der Mieten und die Folgen, gerade für unsere Zielgruppen, konnten in den letzten Jahren durch Maßnahmen von Seiten der Politik nicht eingedämmt werden. Bei unseren Zielgruppen verfestigt sich an dieser Stelle der Eindruck, dass Märkte und nicht politische Entscheidungen ihre Lebenssituation bestimmen.

Voraussetzung für den Erfolg dieses politischen Vorhabens ist, dass die angestrebte gesetzliche Regelung rechtssicher, einfach, nachvollziehbar und bürokratiearm sein muss. Sie muss nach unserer Überzeugung zudem auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens fußen. Zu einem solchen Konsens kann aus unserer Sicht eine sorgfältige Ausarbeitung und Kommunikation des Vorhabens beitragen.

Durch die Begrenzung und das Einfrieren der Mieten entsteht kein neuer Wohnraum. Sie stellt aber eine wichtige Ergänzung zu den Bemühungen des Landes um Wohnungsneubau dar. Neubauvorhaben müssen intensiv und mit allen gebotenen Mitteln weiterverfolgt werden. Der Ausschluss von Wohnungen, die nach dem 01.01.2014 erstmalig bezugsfertig wurden, aus dem Anwendungsbereich des geplanten Gesetzes soll verhindern, dass Investoren von Neubauvorhaben abgehalten werden.

Wir begrüßen zudem folgende Punkte:

  • Gemeinwohlorientierte Vermieter*innen, die bisher moderate Mietforderungen gestellt und sich sozial verantwortlich verhalten haben, haben weiterhin notwendigen Spielraum für Bewirtschaftungsstrategien.
  • Trägerwohnungen werden vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen.
  • Die Notwendigkeit von Modernisierungen, die bspw. barrierefreien Wohnraum schaffen, Ausstattungsdefizite reduzieren und der Erreichung der Klimaschutzziele dienen, wird anerkannt. Vermieter*innen, die durch notwendige Investitionen und geringen Mietzins in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, können dies nachweisen und eine Härtefallregelung in Anspruch nehmen.
Zum vorliegenden Gesetzentwurf möchten wir folgende Punkte zu bedenken geben bzw. eine Klarstellung erbitten:

Ausstattung der Bezirksämter
Zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen ist eine angemessene personelle Ausstattung der Bezirksämter. Diese muss den steigenden Anforderungen von Anfang an angepasst werden.

Auswirkungen des Gesetzes auf die zukünftige Entwicklung der Kosten der Unterkunft
Aktuell übersteigt die angemessene Miete nach AV Wohnen in nicht wenigen Fällen das Haushaltseinkommen um mehr als 30%. Sollte es nun möglich werden, eine Herabsetzung der Miete zu erwirken, würden sich die Angemessenheitsgrenzen der AV Wohnen und die Mietobergrenzen u.U. konterkarieren.

Der § 4 Absatz 4 Satz 3 („Soweit die Miete durch einen staatlichen Leistungsträger übernommen wird, ist sie bei der Ermittlung der überhöhten Miete nach Absatz 2 nicht zu berücksichtigen.“) ist für uns mit Blick auf Einbezug oder Ausschluss von Leistungsbeziehenden von der Möglichkeit der Herabsetzung nicht eindeutig. Wir bitten zu diesem Sachverhalt und zu der Frage, wie sich AV Wohnen und Mietobergrenzen zueinander verhalten, dringend um Klarstellung.

Haushalte mit Einkommensschwankungen
Einkommensschwankungen sind auch beim Leistungsbezug ein Risiko für falsche Berechnungen etc. Menschen mit einem geringen Einkommen, das zudem monatlichen Schwankungen unterliegt, werden größeren Aufwand des Nachweises haben und mehr Aufwand verursachen. Die gesetzlichen Regelungen müssen für die Betroffenen transparent und leicht nachvollziehbar sein und die Antragsverfahren so ausgestaltet sein, dass auch Menschen mit schwankendem Einkommen eine Chance haben, von den Regelungen des Gesetzes zu profitieren.

Herabsetzung erhöhter Mieten
Voraussetzung ist eine Miete über der Mietobergrenze und eine über 30%ige Belastung durch den Mietzins mit Blick auf das anrechenbare Gesamteinkommen. Die Herabsetzung kann nicht rückwirkend, sondern ab Antragstellung wirksam werden. Solange Menschen in ihren Wohnungen verbleiben, ist dies sicherlich ein wirksamer Schutz vor Verarmung und Verdrängung. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass Personen, die aufgrund eines niedrigen Einkommens voraussichtlich anspruchsberechtigt sind, noch schlechtere Chancen bei einer notwendig werdenden Wohnungssuche haben als bisher, da Vermieter*innen Einbußen bei ihren Mietein-nahmen hinnehmen müssen.

Lageunabhängige Mietobergrenzen
Das dem Gesetzesentwurf zugrundeliegende Bestreben, in allen Sozialräumen Segregation zu vermeiden und die soziale Mischung zu erhalten, wird von der LIGA umfassend unterstützt. Allerdings ist zu befürchten, dass die Schaffung einer einheitlichen Mietgrenze, ohne Differenzierung der Wohnlage, zu einer verstärkten Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in guter Lage führt. Eine soziale Aufspaltung der Kieze würde in diesem Szenario weiter verschärft werden.

Umgehungstatbestände
Die Gefahr besteht, dass bei Neuvermietungen Umgehungstatbestände (Übernahmepflicht einer überteuerten Einbauküche, Untervermietungen zu überhöhten Preisen), die niemand überprüfen kann, „entwickelt werden“, die den Wohnungsmarkt noch intransparenter und für Haushalte mit geringem Einkommen noch unzugänglicher machen.

Trägerwohnungen
Es ist begrüßenswert, dass das Gesetz hier die ohnehin rechtlich schwierige Position der Trägerwohnungen beachtet. Aufgrund des Gewerberechtsverhältnisses im Vertrag zwischen Eigentümer und sozialem Träger können Mietsenkungen eines Mieters mit dem sozialen Träger nicht an den Eigentümer weitergegeben werden. Trägerwohnungen gibt es nicht nur für Menschen mit dringendem Wohnbedarf, sondern auch für Menschen mit Teilhabe- und / oder Pfle-gebedarf, und / oder mit Jugendhilfebedarf, die ohne diese vertragliche Stützung durch einen Träger keinen eigenen Wohnraum anmieten können. Diese Personenkreise müssen in dem Entwurf dringend berücksichtigt werden.

Zu beachten ist allerdings, dass es zahlreiche Träger gibt, die Wohnraummietverträge/-verhältnisse und nicht Gewerbemietverträge abgeschlossen haben, um diese an Personen mit dringendem Wohnbedarf zu überlassen. Wie verhält es sich mit solchen Mietverträgen? Werden diese mit dem vorliegenden Gesetz berücksichtigt?

Anmerkung hierzu: Der Bundesgesetzgeber hat zum 01.01.2019 mit der Einführung des Absatzes 3 zum bestehenden § 578 BGB „Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume“ die mietvertraglichen Rechte bei der Anmietung von Trägerwohnungen durch anerkannte private Träger der Wohlfahrtspflege gestärkt. Der neue Absatz 3 im § 578 BGB erklärt wesentliche Vorschriften des Wohnraummietrechts bei der Anmietung durch anerkannte private Träger der Wohlfahrtspflege, die geschlossen werden, um die Räume Personen mit dringendem Wohnbedarf zum Wohnen zu überlassen, für anwendbar. Insbesondere geht es um Vorschriften zur Mieterhöhung, zum Kündi-gungsschutz des Mieters, zur Befristung des Mietvertrages, zum Vorkaufsrecht des Mieters und zur Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlungen. Die ge-nannte Regelung wurde zum Schutz solcher Mietverhältnisse sowie zum Schutz der in den Wohnungen lebenden Personen geschaffen. Inwiefern nimmt der hier vorliegende Gesetzesentwurf Bezug auf die zum Jahresbeginn erfolgte Gesetzesänderung des § 578 Absatz 3 BGB, die zu einer Stärkung der Mietrechte bei der Anmietung durch anerkannte privater Träger der Wohlfahrtspflege geführt hat?

Erhöhter Beratungsbedarf
Es ist zu erwarten, dass es bei einer Gesetzesverabschiedung erhöhten Beratungsbedarf von Mieter*innen geben wird, der u.a. auch bei den unabhängigen Sozialberatungen sowie Fachberatungsstellen der Wohnungsnotfallhilfe und den Migrationssozialdiensten anfallen wird. Dieser Mehrbedarf muss gedeckt werden können.

Grundsätzlich sollte das Ziel verfolgt werden, ein Antragsverfahren zu schaffen, das es allen Mieter*innen, unabhängig von Alter, Herkunft, Sprache, Einkommen, gesundheitlicher, sozialer und psychischer Verfassung ermöglicht, ihre Anspruchsberechtigung eigenständig prüfen zu können.

Anschlussmaßnahmen
Vor Verabschiedung des Gesetzes ist sicherzustellen, dass auch nach Ablauf der Gesetzesperiode Mietsteigerungen insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen im Rahmen bleiben.

Es besteht die Befürchtung, dass Immobilieneigentümer versuchen, eventuelle Einnahmeverluste durch höhere Gewerbemieten zu kompensieren. In diesem Fall muss mit geeigneten Maßnahmen dafür Sorge getragen werden, dass dies nicht zu einem Verlust von Räumen für Beratungsstellen, soziale Treffpunkte etc. führt.

Zum Download

LIGA_Stellungnahme_Berliner MietenWoG_13092019.pdf

LIGA_Stellungnahme_Berliner MietenWoG_13092019.pdf

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