Sie befinden sich hier: StartseiteStellungnahmen / Positionen des LIGA FA Migration 

Positionen des LIGA Fachausschusses Migration zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021

Gestaltung der Migrationsgesellschaft in einer modernen Einwanderungsmetropole – Migration und Antidiskriminierung sind Querschnittsthemen

- Berlin hat einen Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationsgeschichte von mehr als 35%. Diversität muss sich in der Ausbildungs- und Beschäftigtenstruktur der Orga-nisationen und Unternehmen wiederspiegeln und sollte durch gezielte Maßnahmen be-fördert werden. Migration und Antidiskriminierung stellen fachbereichsübergreifende Querschnittsthemen dar, die bei der Organisations- und Personalentwicklung sowie bei den Produkt- und Dienstleistungsangeboten berücksichtigt werden müssen.
- Zivilgesellschaftliche Akteure müssen in der Arbeit zur Prävention und Bekämpfung von fremdenfeindlichen, insbesondere von anti-islamischem und antisemitischem Ras-sismus gestärkt werden.

Stärkung bestehender Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen mit Mig-rationsgeschichte:

Stärkung der sozialen Infrastruktur flächendeckend im Landeshaushalt sicherstellen
- Die bestehenden Angebote der Migrationssozialarbeit (MSD) müssen flächendeckend in allen Bezirken ausgebaut werden. Um eine verlässliche Grundversorgung zu ge-währleisten, müssen in allen Bezirken zwei Stellen für die Migrationssozialarbeit dau-erhaft finanziert werden.

Erhalt und Ausbau der bundesgeförderten Migrationsberatungsangebote unterstützen
Die bundesgeförderten Programme „Migrationsberatung für Erwachsene Zuwanderer“ (MBE) und „Jugendmigrationsdienste“ (JMD) leisten seit vielen Jahren eine sehr erfolg-reiche Arbeit. Wir fordern die zukünftig regierenden Parteien und ihre Abgeordneten auf, sich für den weiteren Ausbau und Erhalt der Bundesprogramme einzusetzen, um dieses wichtige und erfolgreiche Angebot zu sichern und auszubauen. Dabei muss die Refinanzierung von Personal- und Sachkosten verbessert werden.

Uneingeschränkten Zugang zu Bildung ermöglichen und sicherstellen
- Junge Erwachsene mit Migrationsgeschichte sind gegenüber Gleichaltrigen ohne Mig-rationsgeschichte häufiger von sozialer Benachteiligung betroffen, was unmittelbare Auswirkungen auf ihre Bildungsleistungen hat. Sie verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss und unterliegen nach dem Schulabgang oft nicht mehr der Schulpflicht. Dies führt dazu, dass sie oft keinen Zugang zu Bildung haben, da die Schulen sie nicht mehr aufnehmen, und die Berufsschulen keine speziellen Angebote haben, welche die Ju-gendlichen an ihren derzeitigen Bildungsständen abholen könnten. Hier müssen zum einen dringend neue und interkulturell geöffnete Angebote an den Berufsschulen auf-gebaut werden, sowie gleichzeitig der Zugang zur Regelschule als Grundrecht auch nach Beendigung der Schulpflicht gesichert werden.

Stärkung bestehender Beratungs- und Hilfeangebote für EU Bürger*innen:

Beratungsangebote an der Schnittstelle Wohnungslosenhilfe/Migrationsangebote für
EU-Bürger*innen sichern und besser verzahnen

- Eine sehr große Zuwanderungsgruppe in Berlin bilden die EU-Bürger*innen. Viele von ihnen leben in prekären Verhältnissen und sind von Obdachlosigkeit betroffen. Die be-stehenden niedrigschwelligen Beratungsangebote unterstützen die Ratsuchenden bei der Existenzsicherung und Entwicklung einer dauerhaften Perspektive. Die Projekte werden aus EU-, Bundes- und Landesmitteln gefördert und sind weder ausfinanziert noch langfristig angelegt. Das Land Berlin muss sich dafür einsetzen, dass die EU- bzw. bundesfinanzierten Projekte fortgeführt werden und die Ko-Finanzierung der Pro-jekte sichergestellt wird.
Darüber hinaus ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen dringend umzusetzen, um die Angebote der Wohnungslosenhilfe mit den Migrationsangeboten stärker zu verzahnen.
Eine dauerhafte Absicherung der Projekte an der Schnittstelle Migrati-on/Wohnungslosenhilfe ist dringend notwendig. Die Refinanzierung von Personal- und Sachkosten muss dabei verbessert werden.

Unterbringung in ASOG sicherstellen
- 2019 wurden vom Senat die Leitlinien gegen Wohnungslosigkeit verabschiedet. Da-nach sollen die EU-Bürger*innen Zugang zu einer Unterbringung nach ASOG erhalten. Einige Bezirke verweigern jedoch weiterhin EU-Bürger*innen die Unterbringung und verweisen auf die Angebote der Kältehilfe. Die Leitlinien müssen umgehend und um-fassend umgesetzt werden. Die Unterbringung von EU-Bürger*innen nach dem ASOG ist keine Sozialleistung, sondern eine Leistung zum Schutz der Wohnungslosen bzw. der Menschenwürde. Wohnen ist ein Menschenrecht!



Zugang zu den Sozialsicherungssystemen sicherstellen
- Der Zugang zu Sozialleistungen nach dem SGB II, XII sowie zum Kindergeld dient der Ab-sicherung des Existenzminimums und muss bei vorliegender Leistungsberechtigung von staatlicher Seite gewährleistet sein. EU-Bürger*innen wird trotz vorliegender Leistungsan-sprüche der Zugang zum Sozialsicherungssystem nicht in allen Behörden gewährt. Berlin soll sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Bundesagentur für Arbeit Ihrer Ver-antwortung für die rechtmäßige Erbringung von Leistungen nachkommt und einen diskri-minierungsfreien Zugang für alle Menschen jenseits Ihrer Herkunft gewährleistet.

Zugang zum 1. Arbeitsmarkt ermöglichen
- Im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und der EU-Freizügigkeit findet (Arbeits-) Migration regulär statt. Auf dem Berliner Arbeitsmarkt lässt sich ein starker Anstieg der Anzahl der Beschäftigten aus EU-Ländern verzeichnen. Gleichzeitig zeigt sich vor allem bei den Beschäftigten aus Ländern der EU-Osterweiterung, dass sie verstärkt in prekären Beschäftigungsverhältnissen und im Niedriglohnsektor (Ausübung von Helfertätigkeiten) tätig sind. Eine Aufstockung mit ALG II ist oft eine Folge daraus.
(Neu-) Zugewanderten sollte der Zugang zum 1. Arbeitsmarkt ermöglicht werden, was mit gezielten Maßnahmen zur Erschließung des Fachkräftepotentials von EU-Bürger*innen befördert werden sollte.


Stärkung bestehender Beratungs- und Unterstützungsangebote für Geflüchtete:

Ausschreibungspraxis im Rahmen der Vergabe von Flüchtlingsunterkünften im
Land Berlin verbessern

- Die aktuelle Ausschreibepraxis von Flüchtlingsunterkünften sollte neu überdacht wer-den. Das Ziel muss eine qualitätsorientierte Unterbringung der Bewohner*innen und faire Entlohnung der Mitarbeiter*innen sein. Nur durch verbesserte Ausschreibungen kann eine verbesserte Qualität der Unterbringung für Geflüchtete sichergestellt und verhindert werden, dass gute Betreiber und ihre Angebote aus dem Markt verdrängt und bereits erreichte Standards erhalten bleiben. Die LIGA steht hier als Partnerin auf Augenhöhe in der Weiterentwicklung verbesserter Ausschreibebedingungen zur Verfü-gung.

Humanitäre (Landes-) Aufnahmeprogramme umsetzen und ausbauen
- Humanitäre Landesaufnahmeprogramme sollen den Schutz und die Versorgung von Menschen in einer humanitären Notlage schnell und flexibel sicherstellen. Das Vorha-ben Berlins, besonders schutzbedürftige Menschen aus dem Libanon aufzunehmen, muss endlich umgesetzt werden. Berlin muss sich beim Bund dafür einsetzen, dass die durch die Kommunen eingebrachten Projektaufträge zur Einrichtung humanitärer Lan-desaufnahmeprogramme in den Ländern etabliert werden.
Für in Seenot gerettete und in Berlin aufgenommene Menschen muss ein humanitäres Aufenthaltsrecht und sichere Bleibeperspektive gewährleistet werden.
Keine Nachtabschiebung und Abschiebung in Risikogebiete
- Berlin muss sich an geltendes Bundesrecht halten, wonach Nachtabschiebungen aus organisatorischen Gründen ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der unsiche-ren Lage im Bürgerkriegsland Afghanistan müssen Abschiebungen von allen Men-schen aus Afghanistan sofort ausgesetzt werden. Den geduldeten Menschen aus Af-ghanistan muss eine sichere Bleibeperspektive ermöglicht werden.

Dezentrale Unterbringung gewährleisten
- Die Unterbringung geflüchteter Menschen soll in den Bezirken und dezentral in Woh-nungen gewährleistet werden. Das Recht auf Privatsphäre ist zu wahren und Men-schen mit Fluchtgeschichte sollen in den sozialen Wohnraum integriert werden. Für die Geflüchteten muss die Anmietung einer Wohnung mit Wohnberechtigungs-schein er-möglicht werden, dabei müssen aufenthaltsrechtliche Hürden überwunden werden. Die Aufenthaltszeit in Gemeinschaftsunterkünften soll auf das notwendige Minimum redu-ziert werden. Besonders schutzbedürftige Geflüchtete sollen möglichst direkt in Woh-nungen und zumindest in Unterkünften mit entsprechenden Fachpersonal unterge-bracht werden.

Unabhängige Asylverfahrensberatung dauerhaft finanzieren
- Das Angebot der landesfinanzierten unabhängigen Asylverfahrensberatung durch die Träger der freien Wohlfahrtspflege muss erhalten bleiben und in eine dauerhafte Fi-nanzierungsstruktur übergehen. Um die Beratung langfristig zu etablieren muss ein fes-ter Haushaltsposten für die Beratung eingeräumt und die Projektfinanzierung beendet werden.

Sozialberatung für Geflüchtete als festen Haushaltsposten etablieren
- Die Allgemeine Sozialberatung für Geflüchtete unterstützt die Integration in den Bezir-ken und leistet somit einen wichtigen Beitrag für ein gelungenes Zusammenleben. Um das Angebot der Sozialberatung flächendeckend sicherzustellen, ist eine berlinweit ab-gesicherte Finanzierung der allgemeinen Sozialberatung für Geflüchtete erforderlich.

Unterstützungsstrukturen für junge Schutzsuchende ausbauen und Integration fördern
- Junge Geflüchtete benötigen besonderen Schutz. Das beinhaltet besseres Schnittstel-lenmanagement insbesondere für Care-Leaver, konsequente Nutzung des Handlungs-spielraumes bei bedarfsbezogener Anwendung des §41 SGB VIII durch die Jugendäm-ter, Unterbringung von jungen Erwachsenen im jugendgerechten Wohnen und die Ver-stetigung und Weiterentwicklung der in 2021 geplanten Pilotprojekte.

Zugang zu Leistungen für besonders schutzbedürftige Geflüchtete sicherstellen
- Geflüchteten mit Behinderungen muss das Recht auf Leistungen ohne Einschränkun-gen gewährt werden. Die für geflüchtete Menschen mit Behinderung notwendigen Zu-gänge zu medizinischen, Teilhabe- und Pflegeleistungen müssen durch ein sensibles Verfahren zur Identifizierung behinderungsspezifischer Schutz- und Unterstützungsbe-darfe systematisch ermittelt und durch rechtliche Regelungen sichergestellt werden.

Professionelle Sprachmittlung sicherstellen
- Zur Sicherstellung der sprachlichen Verständigung bei medizinischen und psychothe-rapeutischen Behandlungen muss die Finanzierung professioneller Sprachmittlung im SGB V gesetzlich verankert werden. Dafür muss Berlin sich beim Bund einsetzen.

Arbeit der VAB Kommission zukünftig sichern und weiterentwickeln
- Die Arbeit der VAB-Kommission muss auch in der kommenden Legislaturperiode fort-geführt werden. Die Zusammensetzung, die Häufigkeit und die Gestaltung der Tages-ordnung müssen unter Einbindung der Mitglieder der Kommission ausgewertet und strukturell weiterentwicklet werden. Umsetzungsempfehlungen der Kommission müs-sen zeitnah entschieden werden.

Ansprechperson:

Dirk Arp-Stapelfeldt, Vorsitzender LIGA Fachausschuss Migration
Referatsleiter und stellvertretender Landesgeschäftsführer
Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin e.V.
Telefon: +49 30 / 25 389 – 269
Mobil: +49 151 / 17 63 79 69
E-Mail: Dirk.Arp-Stapelfeldt@awoberlin.de

Download

Positionspapier des FA Migration

Positionspapier des FA Migration

Größe: 0.16 MB

Typ: application/pdf

Download