Sie befinden sich hier: StartseiteStellungnahmen / Für ein soziales Berlin einstehen und Armut... 

Für ein soziales Berlin einstehen und Armut bekämpfen – jetzt!

LIGA Fachausschuss Existenzsicherung und Armutsbekämpfung fordert den Ausbau und die Absicherung der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung

Berlin, 20.06.2023

Seit 2018 fördert das Land Berlin die allgemeine unabhängige Sozialberatung (AUSB) in den Berliner Bezirken. Die AUSB steht allen ratsuchenden Menschen offen und bietet qualifizierte Beratung bei individuellen Notlagen. Das macht die AUSB zu einem einzigartigen und unverzichtbaren Bestandteil der Berliner Hilfelandschaft.


Die AUSB ist darauf spezialisiert, Menschen bei der Bewältigung von sozialen Problemen und Notlagen qualifiziert zu beraten. Die AUSB ist weder auf eine Personengruppe wie etwa Schwangere oder Geflüchtete noch auf eine Problemlage wie etwa Überschuldung oder Sucht festgelegt, sondern steht allen ratsuchenden Menschen bei ihren individuellen Anliegen zur Seite. Das unterscheidet die AUSB von den sonstigen Beratungsstellen in Berlin, mit denen die AUSB eng vernetzt zusammenarbeitet.

Die AUSB informiert zu Sozialleistungsansprüchen und unterstützt bei deren Inanspruchnahme. Damit leistet die AUSB einen direkten Beitrag zur Bekämpfung und Prävention von Armut in Berlin. Gerade in Zeiten von Inflation und steigender Kinder- und Altersarmut darf an dieser Hilfe nicht gespart werden.

Finanzielle Probleme, darunter vor allem Schwierigkeiten mit Sozialleistungsbehörden, sind das häufigste und am stärksten zunehmende Beratungsanliegen in der AUSB. Während der Corona-Pandemie hat sich die AUSB als unerlässliche Säule der sozialen Infrastruktur Berlins erwiesen und erfüllt diese Funktion weiterhin: Einige Berliner Behörden sind nach wie vor nicht ausreichend persönlich erreichbar - mit fatalen Folgen: Anträge gehen nicht bei der richtigen Stelle ein und Leistungen werden nicht oder verspätet ausgezahlt, wodurch Menschen in zum Teil existenzgefährdende Notlagen geraten. Die AUSB halten für die Betroffenen ihre Türen offen und ermöglichen unter erheblicher Mehrbelastung und hohem Engagement den Kontakt zu den Behörden und dadurch Existenzsicherung.

Nach Schätzungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands nehmen 40 bis 60 Prozent der Leistungsberechtigten Bürgergeld nicht in Anspruch. Noch höher ist die Nicht-Inanspruchnahme beim Wohngeld (60 Prozent), bei der Grundsicherung im Alter (60 Prozent) und den Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT) (85 Prozent). Mit Blick auf die steigenden Lebenshaltungskosten ausgelöst durch Energiekrise, Inflation und horrende Mieten sind diese Zahlen für das Land Berlin nicht hinnehmbar, sondern verdeutlichen ein sich verschärfendes Armutsrisiko, das das Land Berlin unbedingt ernst nehmen muss.

Die aktuelle Situation vor Ort macht deutlich: Das bestehende AUSB-Angebot deckt den Beratungsbedarf nicht und eine Aufstockung der Kapazitäten kommt unmittelbar den ratsuchenden Menschen in Berlin zugute.

Im Bezirk Treptow-Köpenick leben rund 27.000 Menschen mit Anspruch auf Bürgergeld (Mai 2023). Setzt man nun die Nicht-Inanspruchnahme-Quoten des Paritätischen an, nehmen zwischen 10.000-16.000 Menschen das Bürgergeld nicht in Anspruch. Hinzu kommen die Menschen mit Anspruch auf Grundsicherung im Alter, Wohngeld und BuT-Leistungen. Demgegenüber steht eine AUSB im Bezirk Treptow-Köpenick mit 1,25 Vollzeitstellen. Bis auf eine 2-stündige Sprechstunde pro Woche gibt es keine weitere allgemeine Sozialberatung in Treptow-Köpenick. Die Berater*innen der AUSB bearbeiten Anfragen aus dem gesamten Bezirk. Ihre hohe Auslastung liegt auf der Hand – und das ist nur beispielhaft für die engagierten Kolleg*innen in den 11 weiteren Bezirken, insbesondere auch in den 1-Personen-Beratungsstellen, in denen fachlicher Austausch und Abwesenheitsvertretung besonders herausfordernd sind.

Die AUSB Treptow-Köpenick hat – wie auch einige andere kAUSB – über Netzwerk-der-Wärme-Mittel ihre Personalstellen aufgestockt, in Treptow-Köpenick um eine halbe Vollzeitstelle. Die Aufstockung ist befristet bis Ende des Jahres, eine Weiterfinanzierung durch den Bezirk steht nicht in Aussicht. Die Aufstockung fließt unmittelbar in die Klient*innenarbeit: 2022 hatten die Berater*innen in Treptow-Köpenick durchschnittlich rund 100 Beratungskontakte pro Monat. Im Zuge der Aufstockung sind es aktuell rund 140 Beratungskontakte pro Monat, auf Wunsch auch per Videoberatung. Das macht deutlich: Mehr Beratungskapazitäten in der AUSB sind erforderlich, um den Beratungsbedarf der Menschen in Berlin zu decken.

Wenn das Land Berlin sein Regierungsversprechen ernst nimmt, ein beispielloses Netz an sozialen Einrichtungen und Angeboten zu unterhalten und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln, erfordert das aktuell vor allem: Mehr Beratungskapazitäten für die AUSB und Absicherung des bestehenden Angebots durch auskömmliche Refinanzierung.

Wir schlagen vor, dass durchschnittlich je Bezirk zwei zusätzliche Fachkräfte (Vollzeitäquivalente) für die AUSB vorgehalten werden - entweder gleichverteilt auf alle Bezirke oder gewichtet nach der jeweiligen sozialen Belastung. Dies kann durch Aufstockung der bereits bestehenden AUSB oder in Ergänzung durch weitere Projekte (z.B. aktuell bereits bestehende, aber nicht durch Land/Bezirke refinanzierte Angebote der Allgemeinen Sozialen Beratung, ASB) erfolgen. Dabei sollen die Kiezbezogenheit der Angebote, aber auch die Möglichkeit aufsuchender und mobiler Angebote sowie der Ausbau digitaler Beratung Berücksichtigung finden.

Neben dem Ausbau ist die Absicherung der bestehenden Beratungsangebote unerlässlich. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die jährliche Zuwendungssumme nicht auf einen Betrag X eingefroren und fortgeschrieben wird, sondern dass die steigenden Kosten der freien sozialen Träger – insb. auch die steigenden Lohnkosten – berücksichtigt und refinanziert werden. Nur so können die freien sozialen Träger das Angebot in der jetzigen Qualität und Quantität aufrechterhalten und qualifiziertes Personal gewinnen und binden.

Ansprechpartner*innen:
Claudia Niemeyer
Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) e.V.
Referentin für Existenzsicherung und Gemeinwesenorientierung
[E-Mail anzeigen]
Tel. 0162-2027631

Kai-Gerrit Venske (Vorsitzender des Fachausschusses)
Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.
Fachreferent für Wohnungslosenhilfe, Existenzsicherung und Straffälligenhilfe
[E-Mail anzeigen]
Tel. 0163-5696840

Die Fußnoten lassen sich im Fließtext nicht darstellen. Bitte entnehmen Sie die Fußnoten dem Download (rechts).

DOWNLOAD

Fachausschuss Existenzsicherung und Armutsbekämpfung fordert den Ausbau und die Absicherung der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung.pdf

Fachausschuss Existenzsicherung und Armutsbekämpfung fordert den Ausbau und die Absicherung der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung.pdf

Größe: 0.23 MB

Typ: application/pdf

Download