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Positionen des LIGA FA Wohnungsnotfallhilfe zur Begrenzung der Basiskorrektur für Maßnahmen gemäß §§ 67 ff. SGB XII

Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten haben einen Rechtsanspruch auf Hilfe und Unterstützung. Das Berliner Finanzierungssystem der Bezirkshaushalte ver-hindert oftmals, dass Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII dort ankommen, wo sie hingehören – bei den Menschen in sozialen Notlagen. Die LIGA der freien Wohlfahrtspflege möchte mit diesem Positionspapier auf den Missstand aufmerksam machen. Die LIGA fordert in der Konsequenz eine Änderung der Haushaltsgesetzgebung in Form einer Abschaffung der Begrenzung der Basiskor-rektur im Planmengenverfahren bei den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff. SGB XII.

Die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten basieren auf individuellen Rechtsansprüchen im Rahmen des Sozialrechts gemäß §§ 67 ff. SGB XII und kommen insbe-sondere wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen zugute. Hilfen, die auf individuellen rechtlichen Ansprüchen basieren, entziehen sich naturgemäß einem Budget-ansatz und müssen ggf. in ausreichendem Maße verfügbar sein. Gleichwohl sind – was grundsätzlich als legitim anzusehen ist – das Land und die Leistungsträger gehalten Ausgaben zu steuern und entsprechende finanzielle Mittel über Planmengen vorzuhalten, was im Land Ber-lin im Planmengenverfahren geregelt ist. Darüber hinaus besteht, da die Leistungen durch die Bezirke ausgegeben werden, eine Basiskorrektur (quasi analog zum politisch bekannteren Länderfinanzausgleich) innerhalb der Bezirke.

Mit Wirkung zum Haushaltsjahr 2012 verständigten sich Land und Bezirke im Rahmen des bestehenden Planmengenverfahrens zusätzlich zu diesen an und für sich unstrittigen Planungs- und Verteilungsinstrumenten auf eine Begrenzung der Basiskorrektur im Bereich der 67er-Hilfen - ein mehr oder weniger einmaliger Vorgang, den es ansonsten nur noch in der Jugendhilfe gibt. Hintergrund hierfür war, dass in einem einzelnen Bezirk, in dem es durch den Wegfall des Fachdienstes faktisch zuvor kaum noch eine Ausgabensteuerung gab, die Kosten für die 67er-Hilfen in die Höhe geschossen waren. Das führte zu einer als ungerecht empfundenen und die Haushalte der anderen Bezirke belastenden Situation. Die Begrenzung der Basiskorrektur beinhaltet, dass bei Ausgaben, die über der Planmenge (einem jährlich an-hand der Ausgaben des Vorjahres neu festgelegten Durchschnittswert) liegen, nur noch 75% per Basiskorrektur erstattungsfähig sind und der Rest durch den jeweiligen Bezirkshaushalt erbracht werden muss. Was lange weniger bekannt war: es besteht auch eine umgekehrte Anreizwirkung, indem Bezirke, die unter der Planmenge verbleiben, entsprechend nur 75% der Gelder zurückerstatten müssen - der Rest verbleibt zur freien Verfügung im Bezirkshaushalt.

Die eigentliche Ursache für diese Sonderregelung gilt inzwischen als behoben; in dem betreffenden Bezirk wurde eine Soziale Wohnhilfe neu etabliert und die fachliche Steuerung wieder aufgenommen. Dass dieser Bezirk noch immer die meisten Ausgaben zu verzeichnen hat (die aber nicht mehr exorbitant abweichen), ist inzwischen vor allem mit seiner besonderen Sozial-struktur erklärbar.

Im Land Berlin sind trotz des massiven Anstiegs der Wohnungsnot die Maßnahmen nach §§ 67 ff. SGB XII im selben Zeitraum rückläufig bzw. stagnieren. Der Eindruck liegt nahe, dass dies nicht zuletzt mit dem bestehenden Anreizmechanismus im Zuge der Begrenzung der Ba-siskorrektur zusammenhängt. Vergleicht man die jeweiligen bezirklichen Entwicklungen, wird eine durchaus unterschiedliche Praxis ersichtlich; es gibt auch Bezirke, in denen ein systematischer jährlicher Rückgang erkennbar ist, ohne dass dies beispielsweise mit einer wesentlichen Änderung der Sozialstruktur im betreffenden Zeitraum erklärbar wäre.

Dieses Steuerungssystem mag finanzpolitisch begrüßenswerte Effekte haben. Doch es darf keine negativen Auswirkungen und Einflüsse auf das Bewilligungsverhalten haben. Durch dieses Steuerungsinstrument wirkt ein sachfremder Einflussfaktor, der die Umsetzung von indi-viduellen Rechtsansprüchen beeinflusst.
Sozialpolitisch ist eine Begrenzung von Maßnahmen in diesem Bereich äußerst fragwürdig.

Das Land Berlin hat sich die Überwindung von Wohnungslosigkeit bis 2030 als Ziel gesetzt. Das bedeutet, dass zuvor wohnungslose Menschen eigenen mietvertraglichen Wohnraum finden (bzw. solchen nicht verlieren). Die Hilfen nach § 67 ff. SGB XII sind hierbei die zahlenmäßig wirksamsten Hilfen. Leider werden die Zahlen aus den jährlichen Berichten, die die Leistungserbringer seit Jahr und Tag vereinbarungsgemäß und akribisch zusammentragen und einreichen, senatsseitig nicht veröffentlicht. Deshalb sind hier nur Schätzungen möglich. Geht man jedoch von jetzt noch ca. 4.000 Maßnahmen (im Jahre 2010, also vor Be-ginn der eigentlichen Wohnungsnot, waren es noch ca. 11.000 Maßnahmen) aus und dass sich nach Betreuungsende (konservativ geschätzt) mindestens 50% der Leistungsberechtigten in eigenem mietvertraglich abgesicherten Wohnraum (weit überwiegend in einem Hauptmietvertrag, sehr viel seltener zur Untermiete) befinden, bedeutet dies, dass trotz eines sehr angespannten Wohnungsmarktes mindestens 2.000 wohnungslose oder vormals von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen jährlich mit Wohnraum versorgt sind. In einer Zeit, in der im öffentlichen Diskurs die Zahl der durch die Housing-first-Modellprojekte über mehrere Jahre hinweg akquirierten 70 Wohnungen – zurecht – als Erfolg gefeiert wird, sollte mit den 67-er-Hilfen ein gerade auch zahlenmäßig offensichtlich wirkungsvolles Instrument zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit nicht beschnitten werden.
Durch ein den multiplen Problemlagen und den Rahmenbedingungen des angespannten Wohnungsmarktes angemessenes Bewilligungsverhalten hätten am Ende, und dies bei überschaubarem Ressourceneinsatz, noch mehr Menschen die Chance auf eigenen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum.

Besonders leidtragend sind potentiell Leistungsberechtigte, denen entsprechende Leistungen gänzlich versagt oder zeitlich unangemessen eng begrenzt oder nur über den Klageweg bewilligt werden, sowie die stationären Einrichtungen nach § 67 SGB XII, hier insbesondere die Kriseneinrichtungen. Diese sind innerhalb des leistungstypspezifischen Preisgefüges die „Kostentreiber“, da sie innerhalb dieses Segmentes der 67er-Hilfen (nicht aber im Vergleich zu stationären Angeboten aus anderen Leistungsfeldern) konkurrenzlos teuer sind. Es ist eine logische Folge, dass bei der Bewilligung solcher Leistungen besonders zurückhaltend agiert wird, wenn dies das bezirkliche „Budget“ besonders belastet - gemäß der Logik, dass für eine solche Maßnahme dann Gelder beispielsweise für vier bis fünf „BEW-Maßnahmen“ nicht mehr zur Verfügung ständen. Auffällig ist, dass die Kriseneinrichtungen belegungstechnisch am Rande ihrer Existenz stehen und auch die Übergangshäuser zunehmend schlechter ausgelastet zu sein scheinen. Parallel dazu nehmen Anfragen zur Unterbringung von potentiell Leistungsberechtigten zu.

Die LIGA der Wohlfahrtsverbände fordert, begrenzende finanzpolitische Maßnahmen aufzuheben, die die Rechte von Menschen einschränken und mit dazu beitragen, dass fachlich anerkannte und notwendige Versorgungsangebote wie die Kriseneinrichtungen wirtschaftlich nicht mehr existenzfähig sind.

Solche Begrenzungen sind zu unterlassen, wenn man sich mit den Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII das zahlenmäßig bislang wirksamste Instrument bei der Vermeidung oder Überwindung von Wohnungslosigkeit erhalten und dieses entsprechend stärken möchte.

Wir fordern die Zurverfügungstellung der von den Leistungserbringern erhobenen und von der Senatsverwaltung ausgewerteten Daten aus den Standardisierten Jahresberichten zu den Leistungen nach §§ 67 ff. SGB XII.

Wir fordern eine Rückkehr zum bedarfsabhängigen Verfahren (also Planmengenverfahren inkl. der üblichen Regelungen zur Basiskorrektur) und demgemäß eine Abschaffung der Begrenzung der Basiskorrektur im Planmengenverfahren bei den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 ff. SGB XII!

Ansprechperson für Rückfragen:

Ina Zimmermann, Vorsitzende des LIGA FA Wohnungsnotfallhilfe
Referentin für Armutsbekämpfung, Wohnungslosenhilfe und Soziale Dienste
Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V.
Paulsenstr. 55/56, 12163 Berlin
Tel. 030/ 82097-190
Mail: zimmermann.i@dwbo.de

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LIGA Fachausschuss Wohnungsnotfallhilfe zur Begrenzung der Basiskorrektur 67er Leistungen

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