Berlin, den 11.02.2025
Der Berliner Landesrechnungshof hat die für Soziales zuständige Senatsverwaltung
(SenASGIVA) in seinem Jahresbericht 2023 aufgefordert, die Förderung der Schuldner- undI nsolvenzberatungsstellen stärker gesamtstädtisch zu planen und zu steuern. Der LIGA-Fachausschuss Existenzsicherung und Armutsbekämpfung spricht sich für eine qualitätsorientierte Förderung mit zweckgebundenen Mitteln aus.
Schuldner- und Insolvenzberatung ist eine anspruchsvolle Fachberatung für Menschen in multiplen Notlagen.
Derzeit 19 anerkannte und gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen (SIB) in den Bezirken (1) begleiten ver- und überschuldete Berliner:innen dabei, einen Ausweg aus ihrer finanziellen und psychosozialen Notlage zu finden. Die Beratung umfasst Budgetplanungen, außergerichtliche Einigungsversuche, Pfändungsschutz, Aufklärung und Begleitung im Insolvenzverfahren sowie vieles mehr. Krisenintervention – zum Beispiel bei drohendem Wohnraumverlust oder Energiesperren – gehört genauso zum Aufgabenprofil wie die psychosoziale Stabilisierung der oftmals gesundheitlich belasteten und sozial isolierten Klient:innen. Schuldner- und Insolvenzberatung ist eine höchst verantwortungsvolle und spezialisierte Fachberatung für Menschen in komplexen, existenziellen Problemlagen.
Die Beratung lässt sich weder anhand der Anzahl an Beratungskontakten messen
noch nach einem Stückpreis vergüten.
Das derzeitige Finanzierungsmodell der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) misst die Arbeit der SIB in der Anzahl an erbrachten Beratungskontakten und vergütet sie nach einem Stückpreis. Nicht nur aus fachlichen Gesichtspunkten ist dies ungeeignet, sondern gewährleistet auch weder ein bedarfsgerechtes Beratungsangebot für die Berliner:innen noch gute Arbeitsbedingungen für die SIB. Weniger Beratungskontakte führen zu Mittelkürzungen. Die Begleitung von Ratsuchenden mit erhöhten Unterstützungsbedarfen, die Einarbeitung von Nachwuchsfachkräften und das Anpassen an veränderte Anforderungen durch innovative Ansätze wie aufsuchende oder digitale Beratung werden damit zum wirtschaftlichen Risiko der Träger.
Eine qualitätsorientierte Förderung muss die etablierten Beratungsstrukturen absichern und zukunftsfest ausstatten.
Die Einführung einer qualitätsorientierten Finanzierung SIB ist erforderlich und mit der aktuellen Finanzierung (KLR) nicht vereinbar. Die Finanzierung muss die personelle, räumliche, organisatorische und technische Mindestausstattung der SIB absichern (2). Die anerkannten SIB haben belastbare Vertrauensverhältnisse zu ihren Klient:innen und tragfähige Kooperationsnetzwerke vor Ort aufgebaut. Diese Strukturen müssen erhalten bleiben. Bei einer geplanten Verlagerung der Förderzuständigkeit zum 01.01.2026 müssen
Vorlaufzeiten für Antragstellung und Bewilligung beachtet und eine ununterbrochene Finanzierung der SIB sichergestellt werden. Insbesondere kleine Träger können nicht in Vorleistung gehen, um beispielsweise Arbeitsverträge zu verlängern und das dringend benötigte Fachpersonal zu halten.
Eine Zweckbindung stellt sicher, dass jeder investierte Euro die Beratungsstellen erreicht und somit den ver- und überschuldeten Berliner:innen zugutekommt.
Derzeit stellt das Land Berlin den Bezirken die Mittel für die Förderung der SIB im Rahmen der Globalsummen zur Verfügung. Die Zuwendung an die SIB ist eine freiwillige soziale Leistung der Bezirke. Die Bezirke können die Mittel auch für die Erfüllung anderer Aufgaben einsetzen, beispielsweise bei Engpässen im Bezirkshaushalt. Eine Zweckbindung muss eingeführt werden und sicherstellen, dass die vom Land Berlin bereitgestellten Mittel für die SIB in vollem Umfang bei den Trägern und den Beratungsstellen ankommen und damit in den Abbau von Ver- und Überschuldung mitsamt den individuellen und gesellschaftlichen Folgen investiert wird.
Einheitliche Qualitätsstandards garantieren eine gleichwertige Beratung in ganz Berlin und bündeln Wissen und Erfahrung für die kontinuierliche Weiterentwicklung.
Die SenASGIVA prüft und erteilt die Anerkennung der Beratungsstellen als geeignete Stellen im Sinne der Insolvenzordnung. Die Ausgestaltung der Förderung und die fachliche Begleitung der SIB erfolgen derzeit eigenständig durch die Bezirke ohne gemeinsame
ahmenvorgaben oder Qualitätskriterien. Einheitliche Qualitätsstandards sorgen dafür, dass alle Ratsuchenden unabhängig vom Bezirk eine gleichbleibend hohe Qualität und denselben Umfang der Beratung erhalten. Zudem können Wissen und Erfahrung gebündelt und für die Weiterentwicklung der SIB eingesetzt werden. Die Schuldner- und Insolvenzberatung ist ein Angebot von gesamtstädtischer Bedeutung und braucht eine dementsprechende Steuerung auf Landesebene. Die Erarbeitung und Weiterentwicklung der berlinweiten Qualitätsstandards sollte in einem Expert:innen-Gremium bestehend aus Vertreter:innen der SenASGIVA, des LIGA-Fachausschusses Existenzsicherung und Armutsbekämpfung und der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin e.V. (LAG SIB) erfolgen.
(1) Die Schuldner- und Insolvenzberatung für den Berliner Justizvollzug und die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle für Kleinstselbstständige der Berliner Stadtmission sind ebenfalls anerkannte Beratungsstellen. Aufgrund ihrer gesonderten Finanzierung durch die Senatsverwaltung für Justiz bzw. die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sind sie in dieser Aufzählung nicht inkludiert.
(2) vgl. Berliner Ausführungsvorschriften zur Anerkennung von Verbraucherinsolvenzberatungsstellen (AVAGInsO) vom 18.7.202