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Gutachten zu den gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH)

04.08.2020

Ergebnis:

Es kann festgehalten werden, dass die die meisten Vorschriften der Eingliederungs-hilfe des SGB IX in den gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH) aus einer rein formalrechtlichen Sicht rechtlich korrekt umgesetzt wurden. Die erforderlichen Änderungsbedarfe aus formalrechtlicher Sicht werden in der Stellungnahme zu den einzelnen Nummern aufgeführt. Zudem wurden teilweise auch Ergänzungsvorschläge aufgenommen, damit die jeweiligen Ausführungsvorschriften in der Umsetzung des SGB IX ausgewogener werden.

Ein erheblicher inhaltlicher und rechtlicher Mangel der AV EH besteht jedoch darin, dass der Paradigmenwechsel in Form eines Haltungswechsels nur unvollständig zum Ausdruck kommt. Die AV EH ist in vielen ihrer Ausführungen noch von den alten Denkstrukturen der Eingliederungshilfe bis zum 31.12.2019 geprägt, die davon ausgehen, dass die Menschen mit Beeinträchtigung noch in die bestehende Gesellschaft eingeliedert werden müssen. Die vom SGB IX und der UN-BRK geforderte Denkwei-se ist aber, dass die Menschen mit Beeinträchtigungen bereits Teil der Gesellschaft sind und bestehende Barrieren im Umfeld und bzgl. der Handlungsfähigkeit der Menschen mit Beeinträchtigung nur beseitigt werden müssen, um den Menschen mit Beeinträchtigung die volle und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Sowohl in der UN-Behindertenrechtskonvention als auch im BRV, welcher auf die UN-Behindertenrechtskonvention verweist, wird diese neue Haltung von allen Beteiligten am Umsetzungsprozess der Normen des SGB IX gefordert.

Es geht zukünftig darum, die Leistungen durch den Leistungsträger so zu steuern, dass diese Barrieren beseitigt werden. Die Verwaltung hat im Bereich der Eingliederungshilfe die Aufgabe, die Gesellschaft zu enthindern und den Einzelnen zu befähigen, sein Leben in der Gesellschaft nach seinen Vorstellungen leben zu können. Die Leistungen der Teilhabe als Bestandteil eines menschenwürdigen Lebens sollen zukünftig nicht mehr gewährt werden, sondern die staatlichen Stellen haben eine Gewährleistungspflicht, wie dem § 95 SGB IX entnommen werden kann, und zwar dahingehend, eine barrierefreie Gesellschaft zu sichern und die Handlungsfähigkeit des einzelnen Menschen mit Beeinträchtigung zu ermöglichen. Einige Nummern der AV EH sind von dieser neuen Haltung bereits geprägt, doch viele auch nicht. Dies betrifft insbesondere die Nummern 6, 10, 19, 20, 46, 81, 86, 88, 95, 110, 122.

Als Ausführungsvorschrift zum SGB IX hat die AV EH jedoch gerade die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter bei der Umsetzung des SGB IX von dieser neuen Haltung geprägt werden. Daher halten wir es für zwingend erforderlich, dass bei solchen Ausführungsbestimmungen wie die AV EH am Anfang auf die neu einzunehmende Haltung eingegangen wird. Je nach Haltung des/der jeweiligen Mitarbeitenden werden in der Bedarfsvermittlung und der Leistungsfeststellung unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, da es in der Eingliederungshilfe um Beurteilungen und Ermessensausübung geht, die maßgeblich von der Haltung der ausführenden Mitarbeitenden beeinflusst werden. Dieses zeigt sich bereits in konkreten Einzelfällen bei der Umsetzung des BTHG seit dem 1.1.2020 in der anwaltlichen Praxis.

Die Kritik an der AV EH richtet sich daher vornehmlich gegen deren Duktus. Dieser spiegelt sich leider sowohl im Bewilligungsverfahren als auch in etlichen sprachlichen Formulierungen wider.

Stellungnahme zu den einzelnen Nummern der AV EH
Zu Nr. 5 AV EH
Nr. 5 AV EH nimmt Bezug auf § 96 SGB IX und verarbeitet gleichzeitig einen Teil der Präambel des BRV. Da die Zusammenarbeit zwischen Leistungsträger und Leis-tungserbringer für eine inklusive Leistungsstruktur zu Gunsten der Leistungsberechtigten existenziell ist, sollte ein Bezug auf die Präambel des Landesrahmenvertrags in Nr. 5 AV EH aufgenommen werden. In der Präambel des BRV haben sich die Vertragspartner verbindliche Ziele gesetzt, wie z. B. die Teilhabesituation der leistungsberechtigten Menschen mit Beeinträchtigung zu verbessern. Diese Ziele aus der Präambel müssen die Zusammenarbeit prägen und sind daher entweder in einer ei-genen Ziffer aufzuführen oder unter Nr. 5 zu ergänzen.

Zu Nr. 6 AV EH
In Abs.1 der Nr. 6 sollte aufgenommen werden, dass durch das Gesamtplanverfahren die Stellung der Menschen mit Beeinträchtigung gegenüber Leistungsträgern und Leistungserbringern gestärkt werden soll (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 287). Diese Ergänzung ist insofern von erheblicher Bedeutung, da die Leistungsberechtigten gerade nicht Objekt eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens werden sollen, sondern das Verwaltungsverfahren der Erfassung der gewünschten Teilhabebedürfnisse und der bei der Verwirklichung der Teilhabe bestehenden Barrieren dienen soll.

Zu Nr. 7 AV EH
In Abs. 1b der Nr. 7 muss ergänzt werden, dass nicht alle Dienstkräfte des Trägers der Eingliederungshilfe, die zuständig sein könnten, am Gesamtplanverfahren teilnehmen. Dieses kann ansonsten dazu führen, dass 6 – 9 Personen gegenüber dem/der Leistungsberechtigten im Gesamtplanverfahren direkt tätig sind. Dies hat eine einschüchternde Wirkung, die dazu führt, dass die Ziele des SGB IX, Teilhabe zu ermöglichen und Barrieren zu beseitigen, nicht erreicht werden. Daher sollte Nr. 7 Abs. 1b um folgenden Satz ergänzt werden:

  •  „Bei der Anzahl der am Gesamtplanverfahren teilnehmenden Dienstkräfte ist auf die Wünsche der Leistungsberechtigten Rücksicht zu nehmen und die Wirkung der Anzahl am Gesamtplanverfahren teilnehmenden Dienstkräfte un-ter Berücksichtigung der Beeinträchtigung der Leistungsberechtigten zu be-messen. Bei persönlichen Treffen mit dem Leistungsberechtigten sollten mög-lichst nicht mehr als zwei Dienstkräfte des Trägers der Eingliederungshilfe teilnehmen.“
Der Abs. 2c verkürzt die Beteiligung der Leistungserbringer. Bereits gemäß § 5 Abs. 4 BRV sind die Leistungserbringer bei der Ermittlung der Teilhabebedarfe und -wünsche beteiligt. Mit vorheriger Zustimmung der Leistungsberechtigten, kann der Leistungserbringer die ihm gegenüber von den Leistungsberechtigten geäußerten Teilhabebedarfe/ -wünsche an den Träger der Eingliederungshilfe weiterleiten. Damit soll eine frühzeitige Erkennung des Rehabilitationsbedarfs und eine Antragstellung der Leistungsberechtigten im Sinne des § 12 Absatz 1 SGB IX sichergestellt werden. Mit der Weiterleitung kann gem. § 5 Abs. 4 BRV ein Leistungsantrag durch den Leis-tungsberechtigten verbunden werden. Dieses sollte auch in Ziffer c aufgenommen werden, dass entsprechende vom Leistungserbringer eingereichte Unterlagen zu berücksichtigen sind. Des Weiteren ist der Träger der Eingliederungshilfe auf Grund des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 20 SGB X in Verbindung mit § 21 X verpflichtet, auch Leistungserbringer bei der Bedarfsermittlung mit einzubeziehen, soweit diese für die Leistungsberechtigten günstige Umstände, d. h. Teilhabebedarfe, darlegen können. Zwar steht dem Träger der Eingliederungshilfe diesbezüglich ein Ermessen zu, jedoch ist der vollständige Ausschluss gemäß § 2c der Nr.7 soweit nicht zulässig. Die Ergänzung in Nr. 7 Abs. 4 ist insofern nicht ausreichend, da Abs. 2 lex specialis gegenüber der Generalklausel von Abs. 4 ist.

Zu Nr. 10 AV EH
Vor einer Verweigerung der Leistung der Eingliederungshilfe ist die leistungsberechtigte Person umfassend gemäß § 106 SGB IX in einer für die leistungsberechtigte Person wahrnehmbaren Form zu beraten. Dies hält der Gesetzgeber für unabdingbar für deren selbstbestimmtes Leben (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 281). Dies bedeutet, dass lediglich bei einer nichtbeeinträchtigungsbedingten, vollbewussten Verweigerung der Mitwirkung, trotz einer umfänglichen barrierefreien Beratung, erst eine Mitwirkungspflichtverletzung vorliegen kann. Es sollte gleich in Abs. 1 explizit auf diesen Umstand hingewiesen werden, dass die Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Bereich der Eingliederungshilfe voraussichtlich die absolute Ausnahme sein wird. Die Verweigerung der Mitwirkung ist fast immer behinderungsbedingt verursacht. Der 1. Satz Nr. 10 sollte daher lauten:

  • „Mitwirkungspflichtverletzungen leistungsberechtigter Personen dürften im Rahmen der Eingliederungshilfe die absolute Ausnahme darstellen, da vor ei-ner Verweigerung der Leistungen gem. § 106 SGB IX eine umfassende und barrierefreie Beratung in einer für den/die Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form zu erfolgen hat. Die meisten Mitwirkungsverweigerungen dürften beeinträchtigungsbedingt sein, so dass im Rahmen der Beratung zu eruieren ist, welche Ursache der Verweigerung der Mitwirkung zugrunde liegt. Damit reduziert sich die Möglichkeit der Leistungsverweigerung auf die seltene Ausnahme einer vollbewussten nichtbeeinträchtigungsbedingten Mitwirkungsverweigerung.“
Daran anschließen kann sich dann die bisherige Nr. 10.

Zu Nr. 14 AV EH
Um einer Verkürzung der Beratungspflichten vorzubeugen, soll Nr. 14 AV EH wie folgt ergänzt werden:

In Abs. 4 sollte der einleitende Satz lauten:
  • „Die Beratung umfasst im ersten persönlichen Beratungsgespräch insbeson-dere die in § 106 Abs. 2 genannten Gegenstände, wozu gehören…“

Die nachfolgenden Beispiele wären um die aus § 106 Abs. 2 zu ergänzen.
Des Weiteren ist Abs. 4 um folgenden Satz zu ergänzen:
  • „Die Leistungsberechtigten sind zudem über die Unterstützungsmöglichkeiten nach § 106 Abs. 3 SGB VI zu informieren und die leistungsberechtigte Person nach Unterstützungsbedarf zu befragen.“

Zu Nr. 15 AV EH
Hier ist zu verdeutlichen, dass die Willensbekundung nach Unterstützung in Form von Leistungen der Eingliederungshilfe in jedweder Form möglich ist.

Zu Nr. 17 AV EH
Abs. 2 ist zu streichen, da jeder Rehabilitationsträger umfassend den Rehabilitations-bedarf/Teilhabebedarf der leistungsberechtigten Person zu ermitteln hat. Erkennt ein Rehabilitationsträger, dass weitere Teilhabebedarfe bestehen, für die er nicht zuständig ist, hat er diese an den zuständigen Träger weiterzuleiten (§ 15 Abs. 1 SGB IX).

Zu Nr. 19 AV EH
Der Abs. 1 nimmt zu wenig auf behindertenspezifische Belange bei der Antragstellung Rücksicht. Es wird suggeriert, dass jede leistungsberechtigte Person eindeutig erkennbar ihren Unterstützungsbedarf bekunden kann. Solche Willensbekundungen sind jedoch etlichen leistungsberechtigten Personen nicht möglich. Bereits im BRV unter § 5 Abs. 5 wurde formuliert, dass es leistungsberechtigte Personen gibt, die ihre Teilhabewünsche und -leistungen nur schwer oder gar nicht formulieren oder annehmen können. Z.B. bei diesem Personenkreis kann die Formulierung in Ziffer 19 Abs. 1 dazu führen, dass der Sachbearbeiter im Teilhabefachdienst davon ausgeht, dass kein Antrag gestellt wurde. Daher ist Abs. 1 zu streichen und Abs. 2 wie folgt umzuformulieren:

  • „Der Teilhabedienst ermittelt den Willen der leistungsberechtigten Person durch Auslegung i. d. R. in einem Gespräch oder in einer anderen für die Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Kommunikationsart (gemäß Nr. 14). Dabei ermittelt der Teilhabefachdienst auch, inwieweit die leistungsberechtigte Person beeinträchtigungsbedingt nicht i. d. L. ist, einen Teilhabebedarf zu äußern, obwohl ein solcher besteht. Sollte dies der Fall sein, ist der leistungsberechtig-ten Person die notwendige fachliche Unterstützung anzubieten, die erforderlich ist, den Teilhabebedarf für einen Antrag ausreichend bekunden zu kön-nen. Maßstab dabei ist ihr wirklicher Wille.“
Zu Nr. 20 AV EH
Hier muss es heißen:
  • „…der Wille der leistungsberechtigten Person entsprechend den Regelungen zu Ziffer 19 erkennbar wird, zukünftig…“

Diese Änderungen bzgl. der Antragstellung in Ziffer 19 und 20 sind dringend erforderlich, um ein barrierefreies Verfahren entsprechend dem SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonventionen zu gewährleisten. Das Wort “eindeutig“ bedeutet entsprechend dem Sprachgebrauch „völlig klar, unmissverständlich, jeden Zweifel ausschließend, sich klar und deutlich zeigend“ (Duden). In vielen Fällen mag zwar die Antragstellung diesen Anforderungen entsprechen, jedoch in vielen Fällen, wie oben bereits dargelegt, behinderungsbedingt gerade nicht. Bei dem SGB IX geht es maßgeblich um eine Haltungsänderung sowohl bei den Mitarbeitenden der Leis-tungsträger als auch den Leistungserbringern. Jegliche Barrieren, die dazu führen können, dass leistungsberechtigte Personen erforderliche Teilhabeleistungen nicht in Anspruch nehmen, sind zwingend zu vermeiden. Da die Leistungen der Eingliederungshilfe antragsabhängig sind (§ 108 SGB IX), muss das Antragserfordernis diesen Grundsätzen des Bundesteilhabegesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechen. § 108 SGB IX stellt nicht darauf ab, dass eine eindeutige Willensbekundung vorliegen muss. Vielmehr machen die §§ 106 und 97 deutlich, dass es Aufgabe der Teilhabefachdienste ist den Leistungsberechtigten zu verdeutlichen, welche Teilhabeleistungen es gibt und sie durch Unterstützung und Angebote zu ermutigen, diese bei Bedarf in Anspruch zu nehmen. Es muss förmlich um Teilhabeleistungen durch den Teilhabefachdienst geworben werden, wenn aus fachlicher Sicht erkennbar ist, dass das Antragserfordernis für die leistungsberechtigte Person eine Teilhabebarriere darstellt.

Zu Nr. 23 AV EH
Der letzte Satz des Abs. 2 muss dahingehend ergänzt werden, dass die Ausfüh-rungsvorschriften zur Durchführung des SGB XII nur für die Leistungen der Grundsi-cherung oder der Sozialhilfe gelten. Die Leistungen der Teilhabe nach dem SGB IX unterliegen den Ausführungsvorschriften zur Sozialhilfe gerade nicht mehr, da es Rehabilitationsleistungen sind. Diese Trennung der Leistungen ist gerade eine Er-rungenschaft des BTHG.

Zu Nr. 44 AV EH
In Abs. 1 der Nr. 44 wird am Ende die Betreuungsbehörde aufgeführt, die gegebenenfalls beteiligt werden soll. Zwar ist dies formaljuristisch zulässig, jedoch könnte es für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine erhebliche Hürde darstellen, wenn diese nicht vorab darüber informiert werden. Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen sehen eine Betreuungsbedürftigkeit im Sinne des Betreuungsrechts für sich nicht gegeben und würden keine Leistungen der Teilhabe beantragen, wenn ihnen parallel dazu unter Umständen die Bestellung eines rechtlichen Betreuers droht. Nr. 44 sollte somit dahingehend ergänzt werden, dass die Betreuungsbehörde nur mit Zustimmung der Leistungsberechtigten hinzugeladen werden soll, damit die zu ermöglichende Teilhabe nicht konterkariert wird. Zudem ist im Rahmen der Teilhabe vorab zu prüfen, ob nicht die Beteiligung der Betreuungsbehörde durch Teilhabeleistungen vermieden werden kann.

Zu Nr. 46 AV EH
Abs. 1 Satz 2: Die Formulierung, dass insbesondere Leistungen von Angehörigen der leistungsberechtigten Person vorrangig sind, ist irreführend. In der gesamten Diskussion um die Eingliederungshilfe wurde deutlich hervorgehoben, dass es zukünftig, außer im Falle von Minderjährigkeit, nur noch auf das Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigung im Sinne des § 135 SGB IX ankommt. Dies ist so auch in § 136 SGB IX geregelt worden. Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des § 91 SGB IX nicht um eine Vorschrift zum Einsatz von Einkommen und Vermögen, sondern darum, ob die erforderlichen Leistungen bereits von anderen erbracht werden. Die Formulierung in Nr. 46 Abs. 1 Satz 2 verkennt jedoch, dass gerade Angehörige häufig Leistungen erbringen in der irrigen Annahme, sie seien hierzu verpflichtet. Häufig bestehen erhebliche Unkenntnisse über den Leistungsumfang der Eingliederungshilfe und den Umstand, dass Angehörige nicht verpflichtet sind, ihrem volljährigen be-einträchtigten Kindern Leistungen gegenüber zu erbringen. Daher ist Nr. 46 Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu formulieren:

  • „Dies gilt für Leistungen von Angehörigen leistungsberechtigter Personen und anderen Dritter nur dann, wenn der Teilhabefachdienst die leistungsberechtigte Person und die Angehörigen sowie Dritte darüber aufgeklärt hat, dass sie nicht per se verpflichtet sind, unentgeltliche Leistungen gegenüber volljährigen beeinträchtigten Angehörigen zu erbringen und die Angehörigen bzw. die Dritten erklären, dass sie die Leistungen freiwillig in Kenntnis der mangelnden rechtlichen Verpflichtung erbringen wollen.“

Dieser Klarstellung bedarf es insbesondere aus dem Grund, da es für die leistungs-berechtigten Personen um ein selbstbestimmtes Leben geht, welches häufig nur dann ergriffen und durchgeführt werden kann, wenn die Leistung unabhängig von der natürlichen Leistungsbereitschaft Angehöriger in Anspruch genommen werden können. Der Nachrang der Eingliederungshilfe ist gesetzlich nur dann vorgesehen, wenn in Kenntnis aller gesetzlichen Möglichkeiten auf Leistung der Teilhabe, sowohl die leistungsberechtigte Person als auch die Angehörigen oder Dritte sich zu einer Leistung durch die Angehörigen oder Dritten entscheiden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Formulierung im § 91 Abs. 1 SGB IX deutlich neutraler ist und nicht etwaige Leistungen von Angehörigen oder nahestehenden Dritten hervorheben. Die AV EH kann über die gesetzliche Formulierung des SGB IX nicht hinausgehen, da es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Zu Nr. 48 AV EH
Abs. 2 geht von einem Vorrang der Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß SGB V aus, soweit sie im Rahmen medizinischer Rehabilitation erbracht werden. Dieses ist korrekt, hier müsste jedoch noch der Fall geregelt werden, wie es ist, wenn sie neben den Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden (besondere Wohnformen).

Zu Nr. 50 AV EH
Abs. 1: Der absolute Ausschluss von Leistungen der Eingliederungshilfe ist so nicht korrekt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind zu erbringen, soweit die Berliner Hochschulen ihrer Verpflichtungen nach dem Berliner Hochschulgesetz nicht nach-kommen. Der Verweis auf nicht bestehende Strukturen ist unzulässig. Notfalls muss der Träger der Eingliederungshilfe gegenüber der Hochschulverwaltung Regress nehmen. In § 91 SGB IX Abs. 1 heißt es ausdrücklich: „Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.“

Zu Nr. 58 Abs. 1 AV EH
Nr. 58 regelt das Nettoprinzip im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gemäß § 137 Abs. 3 ist der Beitrag von der zu erbringenden Leistung abzuziehen. Die Leistungsbewilligung gegenüber dem Leistungserbringer muss daher sehr exakt festlegen, welche Leistungen vom Leistungsträger bezahlt werden und welche Leistungen von Leistungsberechtigten selbst zu bezahlen sind, damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann, z.B. durch Verzicht auf die Leistungen, die er selbst be-zahlen müsste. Nr. 58 Abs. 1 ist daher wie folgt zu ergänzen:

  • „Der Bewilligungsbescheid hat exakt zu bestimmen, welche Leistungen vom Träger der Eingliederungshilfe übernommen werden und welche die leis-tungsberechtigte Person aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bezah-len hat.“
Zu Nr. 81 Abs. 1 AV EH
In Abs. 1 wird dem Teilhabefachdienst bzgl. der Stellung von drei Sachverständigen-ermessen eingeräumt. Dieses sieht § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht vor. Danach müssen dem Leistungsberechtigten drei wohnortnahe Sachverständige benannt werden, soweit nicht die Ausnahme des § 17 SGB IX greift. Zudem besteht die Ver-pflichtung, Sachverständige zu bestellen, die innerhalb der Frist des § 17 Abs.2 SGB IX in der Lage sind die Begutachtung durchzuführen. Der Träger der Einrichtungshil-fe ist dazu verpflichtet, das Verfahren zu beschleunigen und zu fördern. Dafür hat er entsprechende Verträge mit Sachverständigen im Raum Berlin vorzuhalten. Des Weiteren ist in Nr. 81 Abs. 1 aufzunehmen, dass bei den Sachverständigen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen dürfen. Dies ist eine Forderung
des § 17 Abs. 4 SGB IX und wichtig bei der Auswahl geeigneter Sachverständiger.

Zu Nr. 83 AV EH
Zu Abs. 3 ist aufzunehmen, dass die leistungsberechtigte Person über die dem beauftragten Gutachter gestellten Fragen vor der Begutachtung zu informieren ist. Dieses
entspricht dem Grundsatz der Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit.
Abs. 2 der Nr. 83 kann so nicht stehen bleiben. Solange die leistungsberechtigte
Person eine Vertrauensperson bei der Begutachtung dabeihaben möchte, darf diese
dabei sein. Ein Ausschluss dieser Vertrauensperson ist nur in absoluten Ausnahmefällen
zulässig (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Beschluss vom 23.02.2006, AZ
L 4 B 33/06 SB; Oberlandesgericht Hamm 03.02.2015, AZ II-14 UF 135/14, 14 UF
135/14; LSG Berlin Brandenburg Beschluss vom 17.02.2010, AZ 31 R 1292/09 B).
Hier kann lediglich das Verfahren der Begutachtung geregelt werden, z.B. dass während
der Befragung der leistungsberechtigten Person die Vertrauensperson nicht
intervenieren darf, sondern erst später usw. Zudem muss aufgenommen werden, auf
Grund welcher Tatsachen mit einer Verfälschung des Gutachtenergebnisses zu
rechnen ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die leistungsberechtigte Person
i. d. R. auf Grund ihrer Beeinträchtigung eine Vertrauensperson mitbringt und daher
Unterstützung benötigt. Insofern wird sich mit einer Vertrauensperson immer ein anderes
Gutachtenergebnis ergeben als ohne diese, da viele leistungsberechtigte Personen
nicht in der Lage sind, bei einer Begutachtung adäquat zu antworten. Es wird
daher vorgeschlagen, um unnötige große Regelungsinhalte in Nr. 83 aufnehmen zu
müssen, den Abs. 2 zu streichen.

Zu Nr. 86 AV EH
Abs. 2 der Nr. 86 legt fest, dass eine Teilhabezielvereinbarung gemäß § 122 SGB IX
abzuschließen ist. Dieses entspricht nicht dem gesetzlichen Wortlaut des § 122 SGB
IX. Danach „kann“, eine Teilhabezielvereinbarung abgeschlossen werden, sie muss
es aber nicht. Abs. 2 sollte daher dahingehend ergänzt werden, dass eine Teilhabezielvereinbarung abgeschlossen werden kann, jedoch nicht muss. Die Situation aus Abs. 3 der Nr. 86 kann bei konsequenter Berücksichtigung der Grundsätze des § 117
Abs. 1 SGB IX denklogisch faktisch kaum auftreten. Das Gesamtplanverfahren ist
nicht nur transparent und trägerübergreifend sowie interdisziplinär durchzuführen,
sondern insbesondere auch konsensorientiert, individuell, lebensweltbezogen und
sozialraumorientiert. Zudem sind gemäß § 104 SGB IX die Leistungen der Eingliederungshilfe entsprechend den Wünschen der Leistungsberechtigten zu gestalten. Es soll gerade im Gesamtplanverfahren nicht über die leistungsberechtigte Person entschieden werden, sondern ermittelt werden, wie die leistungsberechtigte Person leben
möchte und welche Barrieren bzgl. der gewünschten Teilhabe auftreten und wie
eine Enthinderung der Umgebung durch Teilhabeleistungen erfolgen kann. Insofern
dürften Differenzen bei der Zielformulierung nicht auftreten, sodass eine Verweigerung
der Unterzeichnung einer Zielvereinbarung z.B. bei einem persönlichen Budget
kaum vorkommen wird. Insofern dürfte es nicht zu unterschiedlichen Auffassungen
kommen, da der Leistungsträger diejenigen Leistungen zu gewähren hat, die insbesondere nach Ansicht der leistungsberechtigten Person geeignet sind, die gewünschte Teilhabe zu ermöglichen. Auch in diesem Abs. kommt wieder die Auffassung eher zum Tragen, dass der Träger der Eingliederungshilfe gewährt, anstatt Teilhabe zu
gewährleisten (siehe Ergebnis).

Zu Nr. 88 AV EH
Abs. 2 suggeriert, dass Aufgaben und Ziele der Eingliederungshilfe durch Unterstützungsleistungen der Eingliederungshilfe nicht erreichbar sein könnten. Hier stellt sich die Frage, wann eine Lebensführung vorliegt, die nicht mehr der Würde des Menschen (§ 90 SGB IX) entspricht und nicht mehr abänderbar ist. Dieses dürfte eigentlich
nur der Fall sein, wenn ein Mensch Objekt staatlichen Handelns wird. Eine solche
Feststellung durch einen Bescheid ist absolut rechtswidrig. Daher ist Abs. 2 von Nr. 88 zu streichen.

Zu Nr. 91 Abs. 2 AV EH
Die Feststellung, dass allgemeine Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten keine Behinderung im Sinne des § 99 darstellen, kann nach neuem Recht so nicht mehr stehenbleiben. Dieses wäre eine defizitäre Betrachtungsweise abstellend auf die Beeinträchtigung. § 99 SGB IX ist jedoch im Lichte des § 2 SGB IX auszulegen und zu interpretieren, auch wenn weiterhin auf den alten Begriff der Behinderung verwiesen
wird. Sollte in Folge einer Lern- und Entwicklungsstörung die Teilhabe auf Grund
umweltbedingter oder persönlicher Barrieren sehr eingeschränkt sein, kann trotzdem
eine wesentliche Behinderung in der Teilhabe vorliegen. Es ist nicht mehr auf die Art
der Beeinträchtigung bei der Beurteilung abzustellen, ob eine wesentliche Behinderung
vorliegt, sondern auf die Schwere der Teilhabeeinschränkung. Eine schwere
Teilhabeeinschränkung kann selbstverständlich auch bei einer Lern- und Entwicklungsstörung vorliegen. Dementsprechend muss § 99 im Lichte der UNBehindertenkonvention entsprechend der Präambel des BRV ausgelegt werden.
Diese Betrachtungsweise wird zutreffender Weise in Ziffer 92 AV EH unter b gefordert.

Zu Nr. 95 AV EH
Nr. 95 verwechselt mit der Aufzählung von Beeinträchtigungsarten den Begriff der
Beeinträchtigung mit dem Begriff der Teilhabeeinschränkung. Die Beeinträchtigung
ist gemäß § 14 SGB IX gutachterlich festzustellen. Die Teilhabeeinschränkung und
deren Wesentlichkeit ist jedoch im Rahmen der Bedarfsermittlung (TIB) zu ermitteln.
Sie kann nicht mehr an der Behinderungsart anknüpfen, sondern an der Schwere der
Teilhabebeeinträchtigung auf Grund der Wechselwirkung von Beeinträchtigung mit
einstellungs- und umweltbedingten Barrieren der Gesellschaft. Dieses sollte in Nr. 95
unbedingt ergänzt werden, damit die neue Sichtweise des Bundesteilhabegesetzes
zur Geltung kommt und die alte defizitäre Betrachtungsweise nicht weiter perpetuiert
wird.

Zu Nr. 102 AV EH
Abs. 2 der Nr. 102 sieht nur eine eingeschränkte Weitergabe der Daten aus dem TIB
vor. Es sollte aufgenommen werden, dass auf Wunsch der leistungsberechtigten
Person das gesamte TIB auch an den Leistungserbringer auszuhändigen ist.

Zu Nr. 103 AV EH
In Abs. 3 der Nr. 103 wird festgelegt, dass der Gesamtplan i. d. R. auf längstens ein
Jahr zu befristen ist. Hier stellt sich die Frage einer übermäßigen Verwaltungsbürokratie
und zu langer Verfahrensdauern, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt Bewilligungen
mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate in Anspruch nehmen. Die Dauer des
Gesamtplans sollte daher zusammen mit der leistungsberechtigten Person besprochen
werden und nicht nur bei gleichbleibenden Bedarfen bis zu zwei Jahren gehen
können. Zu beachten ist, dass an der Bewilligungsdauer sich weitere Verwaltungstätigkeiten der Leistungserbringer nach dem BRV anschließen wie Berichterstellung usw. Der Gesamtplan sollte daher auf regelmäßig zwei Jahre befristet sein, da die Leistungserbringer bei Veränderungen im Bereich der Teilhabeziele von sich aus bereits auf den Träger der Einrichtungshilfe zugehen werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 11.
BRV), um eine Anpassung des Gesamtplans zu bewirken.

Zu Nr. 104 AV EH
In Abs. 3 der Nr. 104 wird festgelegt, dass dem Leistungsberechtigten mitgeteilt wird,
dass eine nahtlose Bewilligung für einen zukünftigen Leistungsraum nur dann gewährleistet werden kann, wenn er spätestens drei Monate vor Ablauf des aktuellen
Leistungsbescheids dem Teilhabefachdienst bekannt gibt, dass er weitere Leistungen
wünscht. Diese Drei-Monatsfrist ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Gemäß § 14
SGB IX dürfte in der Regel aufgrund der Kenntnis der Beeinträchtigung auch kein
Gutachten erforderlich sein, so dass die Drei-Wochenfrist des § 14 SGB IX vollumfänglich
für die Folgebewilligung gilt, da auch die Zuständigkeit feststeht. Die Drei-
Monatsfrist ist daher zu streichen und die Bewilligungszeiträume über ein Jahr hinaus
zu verlängern. Gerade mit Nr. 104 Abs. 3a wird eindeutig dokumentiert, dass die
Verwaltung nicht in der Lage ist, die gesetzlichen Fristen gemäß § 14 SGB IX bei
den kurzen Bewilligungsdauern von 1 Jahr einzuhalten. Das Verwaltungshandeln
sollte auf das gesetzliche absolute Minimum reduziert werden, da jedes Verwaltungshandeln gegenüber dem Leistungsberechtigten einen „eingriffsähnlichen“ Charakter hat und somit die Teilhabe stört.

Zu Nr. 105 Abs. 1 AV EH
Nr. 105 Abs. 1 sollte dahingehend ergänzt werden, dass bzgl. des Umfangs der Leistungen
im Bewilligungsbescheid deutlich hervorzuheben ist, welche Leistungen von
der leistungsberechtigten Person aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bezahlen
sind und welche Leistungen seitens des Trägers der Eingliederungshilfe übernommen
werden (s.o.).

Zu Nr. 110 AV EH
Grundsätzlich sollen Leistungsträger und Leistungserbringer gemeinsam die Gewährleistung der Teilhabemöglichkeiten der Menschen mit Beeinträchtigung sicherstellen. Nr. 110 spiegelt jedoch eher eine aufsichtsrechtliche Haltung des Teilhabefachdienstes gegenüber den Leistungserbringern wider. Dies dürfte ein offenes Unterstützungsklima im Trialog und die gemeinsame Gewährleistung der Teilhabe deutlich beeinträchtigen. Daher sollte Abs. 2 wie folgt angepasst werden:

  • „Erhält der Teilhabefachdienst überdies Hinweise, die Gegenstand von Qualitäts-Wirtschaftlichkeitsprüfung beim Leistungserbringer sind oder die zu einer ordnungsrechtlichen Prüfung im Sinne des BTHG führen können, teilt er den dieser Einschätzung zugrundeliegenden Sachverhalt dem Leistungserbringer mit und fordert ihn auf, kurzfristig Stellung zu nehmen und gegebenenfalls seine Leistungen entsprechend anzupassen. Sollte seitens des Leistungserbringers hierzu keine Bereitschaft bestehen, teilt der Teilhabefachdienst dies dem für Prüfungen zuständigen Geschäftsbereich der zuständigen Senatsverwaltung mit…“.

Abs. 3 sollte wie folgt formuliert werden:
  • „Erlangt der Teilhabefachdienst Kenntnis von Pflichtverletzungen des Leistungserbringers, fordert er den Leistungserbringer zu einer umgehenden Stellungnahmezu dem Sachverhalt auf. Kann dieser die Pflichtverletzung nicht ausräumen, übermittelt der Teilhabefachdienst den Sachverhalt an die zuständige Senatsverwaltung.“
Der letzte Satz des Abs. 3 ist zu streichen, da es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt.
Zudem dürfte der Teilhabefachdienst überfordert sein, rechtlich zu beurteilen, welche
Pflichtverletzungen gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen der Leistungsberechtigten führen können. Die entsprechenden Mitteilungen an die Leistungsberechtigten sind in den §§ 128 SGB IX und 129 SGB IX nach Abschluss entsprechender Prüfungen geregelt. Eine Hinweispflicht des Teilhabefachdienstes auf mögliche Schadensersatzansprüche existiert bzgl. der Teilhabefachdienste im Gesetz nicht. Somit mangelt es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage.

Zu Nr. 111 Abs. 2 AV EH
Dieser muss um die Frist nach § 14 SGB IX ergänzt werden. Wenn eine Änderung
durch die leistungsberechtigte Person oder den Leistungserbringer mitgeteilt wird,
wird die Frist nach § 14 SGB IX wieder in Gang gesetzt, da es ein Antrag auf Leistungsänderung, und daher gemäß § 14 SGB IX auch zu bescheiden ist. Auf Grund
der feststehenden Zuständigkeit und der feststehenden Beeinträchtigung dürfte die
Drei-Wochenfrist immer greifen.

Zu Nr. 113 Abs. 5 AV EH
Der gesamte Prozess der Teilhabegewährleistung kann nur trialogisch erfolgen. Alle
Beteiligten müssen einbezogen werden. Dies gilt auch für die Leistungserbringer, damit diese die entsprechenden Personalkapazitäten planen und vorhalten können.
Daher ist Abs. 5 um den Satz zu ergänzen:

  • „Der Leistungserbringer ist rechtzeitig zu informieren, wenn eine weitere Leistungsbewilligung voraussichtlich abgelehnt wird oder der Umfang reduziert wird.“

Zu Nr. 114 Abs. 1 AV EH
Die Nr. 114 bedarf aus rechtlicher Sicht folgender Ergänzungen – der Abs. 1 Satz 1
ist zu ergänzen und muss wie folgt lauten:
  • „Auf Eingliederungshilfe besteht ein Anspruch, soweit eine wesentliche Behinderung in der Teilhabe vorliegt oder droht.“
Des Weiteren ist der Satz 2 auf Grund von § 104 Abs. 2 SGB IX wie folgt zu ergänzen:
  • „Demgemäß ist insoweit das pflichtgemäße Ermessen nach § 107 Abs. 2 SGB IX bezogen auf Art und Maß der Leistungserbringung unter Berücksichtigung der Wünsche der leistungsberechtigten Personen (§ 104 Abs.2 SGB IX) auszuüben und zu begründen.“

Zu Nr. 115 Abs. 4 vorletzter Satz AV EH
Pflegehilfsmittel können auch Leistung der sozialen Teilhabe sein. In besonderen
Wohnformen können z. B. allgemeine Pflegebetten zu den investiven Mitteln der Einrichtung gehören und damit eine Fachleistung der Einrichtung sein. Der vollständige
Ausschluss der Pflegehilfsmittel, z.B. von Liftern, Duschrollstühlen usw. ist somit
nicht korrekt. Es kommt jeweils auf die jeweilige Art der Fachleistung an. Daher sollte
zumindest aufgenommen werde, dass Pflegehilfsmittel häufig keine Leistung der sozialen Teilhabe sind, es jedoch auch sein können. Dieses ist zu prüfen.

Zu Nr. 116 Abs. 5 AV EH
Abs. 5 ist wie folgt zu ergänzen:

  • „Bei inhaltlich gleichen Leistungen (z.B. gleicher Leistungstyp) zweier Leistungserbringer mit unterschiedlichen Vergütungen ist ein Kostenvergleich entsprechend der Rechtsprechung des BSG ausgeschlossen.“
Die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.07.2018, B
8 SO 30/16 R) sieht bei vertragsgebundenen Leistungserbringern die Möglichkeit
eines Kostenvergleichs grundsätzlich nicht mehr vor, da die Vergütung immer als
wirtschaftlich und angemessen gilt. Eine weitere Angemessenheitsprüfung der Vergütung
im Rahmen der Einzelfallbewilligung ist nach der Rechtsprechung des BSG
nicht mehr vorzunehmen, sondern ist abschließend auf der Vertragsebene zu regeln.

Zu Nr. 119 Abs. 3 letzter Satz AV EH
Die Formulierung des Abs. 3 suggeriert, dass die pauschale Geldleistung in keinem Zusammenhang mit dem festgestellten Bedarf der leistungsberechtigten Person steht. Das Gesetz sieht jedoch gerade in § 105 Abs. 3 SGB IX vor, dass die Pauschalen in der Höhe unterschiedlich auszugestalten sind. Hier sollte darauf verwie-sen werden, dass die Ausgestaltung der Pauschalen differenziert nach der Höhe der Bedarfe zu erfolgen hat, jedoch nicht so differenziert wie bei einer individuellen Bedarfsfeststellung. Eine pauschale Geldleistung, die überhaupt nicht geeignet ist, den Bedarf der leistungsberechtigten Person zu decken, ist in jedem Fall rechtswidrig, da sie nicht geeignet ist, die notwendige Teilhabe zu ermöglichen.

Zu Nr. 121 AV EH
Hier sei ergänzend auf die Einschränkungen nach § 104 Abs. 3 SGB IX hingewiesen. Zudem sollten Kriterien für Zumutbarkeit aufgenommen werden, an denen sich der/die jeweilige Sachbearbeiter/in des Teilhabefachdienstes orientieren kann. Nur so kann eine gleiche Leistungsfestsetzung über gesamt Berlin gewährleistet werden.

Zu Nr. 122 AV EH
In Abs. 1 der Nr. 122 ist der 2. Satz zu streichen. Die dort genannten Beispiele sug-gerieren, dass die Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe nicht zur Stärkung oder zum Erhalt der Selbständigkeit und Fähigkeiten geleistet werden. Dies verkennt jedoch den Begriff der Teilhabe entsprechend der UN- Behindertenrechtskonvention. Danach dienen Teilhabeleistungen sowohl der Befähigung des Einzelnen im Sinne der Herstellung einer Handlungsfähigkeit als auch dem Abbau der Barrieren im Umfeld. Teilhabeleistungen dienen somit nicht nur zu einer Erweiterung der Fähigkeiten der einzelnen leistungsberechtigten Personen, sondern auch zum Erhalt der Fähigkeiten der leistungsberechtigten Person, wenn dieses erforderlich ist, um die Teilhabemöglichkeiten der jeweiligen Person zu erhalten.

Zu Nr. 123 Abs. 2 AV EH
Der Abs. 2 der Nr. 123 ist dahingehend zu ergänzen, dass die Pflegekassen am Ge-samtplanverfahren nur mit Zustimmung der leistungsberechtigten Person beteiligt werden dürfen. Gleiches gilt für Nr. 123 Abs. 4. Auch hier können die Pflegekassen nur beteiligt werden, wenn der/die Leistungsberechtigte dies wünscht. Zudem sollte der Wortlaut des § 13 Abs. 4 SGB XI übernommen werden. § 13 Abs. 4 SGB XI regelt nämlich, dass mit Zustimmung des Leistungsberechtigten der Träger der Eingliederungshilfe die Leistungen der Pflegeversicherung auf der Grundlage des von der Pflegekasse erlassenen Bescheides mit übernimmt. Damit ist auch eindeutig geregelt, wer Leistungsträger gegenüber der leistungsberechtigten Person bleibt.

Zu Nr. 126 Abs. 1 letzter Satz AV EH
Rechtlich nicht korrekt ist, dass alle Leistungen dem Regime des SGB XII bzgl. des Einsatzes von Einkommen und Vermögen unterzogen werden, wenn nur ein Teil der Leistungen nach dem SGB XII bezogen werden. Hier muss der Einsatz von Einkommen und Vermögen einer Differenzierung nach den jeweiligen Leistungen unter-zogen werden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege in Rahmen der Eingliederungshilfe unterliegen den Vorschriften des SGB IX. Weitere Leistungen nach dem SGB XII unterliegen dem SGB XII. Die Anwendung der Vor-schriften über den Einsatz von Einkommen und Vermögen aus dem SGB XII auf alle Leistungen ist rechtswidrig.
Des Weiteren sollte bei den Rechtsfolgen gemäß Nr. 126 aufgenommen werden, soweit Leistungen der Hilfe zur Pflege als Leistungen der Eingliederungshilfe er-bracht werden, dass die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe berechtigt sind, die Leistungen insgesamt zu erbringen, soweit sie personell die fachlichen Qualifikationen vorhalten. Eines Versorgungsvertrags mit den Pflegekassen bedarf es dann nicht.
Bei Nr. 126 Abs. 3 ist auch wieder aufzunehmen, dass die Beteiligung der Pflege-kassen und des Sozialhilfeträgers nur mit Zustimmung der leistungsberechtigten Person erfolgen kann.

Zu Nr. 132 AV EH
Eine Bindung an den Berliner Rahmenvertrag ist unzulässig, da dieser nur für Leis-tungserbringer gilt, die dem Berliner Rahmenvertrag beigetreten sind. Die in der Anlage 3 des Berliner Rahmenvertrags vorgesehene Musterleistungsvereinbarung kann somit nicht Voraussetzung für die Leistungserbringung sein. Diese Einschränkung ist rechtswidrig.
Hier muss es heißen:

  • „Die Leistungserbringung nach § 111 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IX setzt eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 123 ff SGB IX voraus.“
Zu Nr. 145 Abs. 4 AV EH
Der letzte Satz in Abs. 4 ist zu konkretisieren. Nach § 90 Abs. 5 SGB IX wäre der alleinige Zweck, die leistungsberechtigte Person unabhängig von Pflege zu machen, nicht Ziel der sozialen Teilhabe. Im Rahmen der Leistungen der sozialen Teilhabe kann jedoch auch das Unabhängig-Machen von Pflege Bestandteil sein. Insofern muss sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass es Überschneidungsbereiche bzgl. der einzelnen Leistungen geben kann und die Abgrenzung, wenn überhaupt, nachdem Hauptzweck zu erfolgen hat.

Zu Nr. 146 AV EH
Hier ist der Begriff des Sozialraumes abweichend von der Präambel des BRV verwandt worden. Die AV EH sollte hier den vereinbarten Sozialraumbegriff des BRV übernehmen. Die Sozialverwaltung ist an diesen gebunden.

Zu Nr.147 Abs. 1 AV EH
Es ist zwar korrekt, dass die Kosten des Erholungsurlaubes für den Menschen mit Beeinträchtigung keine Leistung der Eingliederungshilfe sind, sondern aus der Grundsicherung zu refinanzieren sind, jedoch kann eine Begleitperson für den Urlaub und deren Urlaubskosten sehr wohl zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören (Sozialgericht Leipzig Urteil vom 05.12.2017 AZ S 10 SO 115/16). Nach Ansicht des SG Leipzig können grundsätzlich auch Reisen eines wesentlich behinderten Menschen seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienen. Es kommt dabei jedoch jeweils auf den konkreten Einzelfall an. Eine pauschale Ablehnung so wie in der AV EH ist daher rechtswidrig. Die Nr. 147 ist entsprechend zu korrigieren.

Zu Nr. 152 Abs. 3 AV EH
Die in Abs. 3 festgelegten Voraussetzungen für die sozialpädagogischen Gruppen-reisen können so dem Gesetz nicht entnommen werden. Insofern ist Abs. 3 zu streichen.
Zu Nr.155 Abs.5 AV EH § 83 SGB IX beschränkt die Beförderungsleistung nicht nur auf Fahrten innerhalb des Landes Berlins. Der Umfang der Beförderungsleistung richtet sich nach der Notwendigkeit der Teilhabe und der damit verbundenen Beförderungsleistung. Insofern ist die Beschränkung in Abs. 5 auf den räumlichen Bereich des Landes Berlin zu streichen.

Zu Nr. 163 Abs. 2 AV EH
Der Satz, dass die leistungsberechtigte Person in der Lage sein muss, das Hilfsmittel zu bedienen, ist zu streichen. Diese Voraussetzung ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Das Hilfsmittel muss lediglich geeignet sein, die Teilhabe der leistungsberechtigten Person zu verbessern.

Zu Nr. 164 Abs. 2 AV EH
Der Ausschluss von Besuchsbeihilfen für leistungsberechtigte Personen, die in einer eigenen Wohnung leben, ist unzulässig. Leistungen über Tag und Nacht können inzwischen auch in einer eigenen Wohnung erbracht werden, da die Leistung nach § 78 Abs. 6 SGB IX auch in der eigenen Wohnung erbracht werden können. Insofern ist der Abs. 2 zu streichen.

Fazit:
Die Senatsverwaltung sollte spätestens im Rahmen der Anpassung und Weiterver-handlung des Landesrahmenvertrags aufgefordert werden, die AV EH in den rechtswidrigen Bestandteilen anzupassen und insbesondere den Paradigmenwechsel des BTHG zu vollziehen.

Zum Gutachten

LIGA_Gutachten_gemeinsame_Ausführungsvorschriften_Eingliederungshilfe (AV EH)_04082020.pdf

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