Dr. Ursula Schoen, Diakonie-Direktorin und LIGA-Federführung: „Auch wenn es schwerfällt und wir weiter alles in unserer Macht Stehende tun: Menschen ohne Obdach werden unser Stadtbild auf Dauer bestimmen. Die meisten von ihnen werden auf lange Sicht in unserer Stadt keine Wohnung, keine ausreichende psychiatrische Betreuung, keine ausreichende gesundheitliche Versorgung haben. Und es werden mehr. Wir müssen feststellen: Die bundesweite Vereinbarung und die Selbstverpflichtung zur baldigen Abschaffung der Wohnungslosigkeit ist in Berlin gescheitert. Umso mehr gilt es jetzt, das Hilfesystem weiterzuentwickeln, wo passgenaue Perspektiven für ein sicheres Leben in einer Wohnung geschaffen werden können. Jedes Schicksal zählt.“
2024 erreichte Berlin den Spitzenwert von über 47.000 Personen, die in Wohnheimen, Hostels und Pensionen untergebracht sind. Wer nicht längerfristig dort wohnen kann, lebt in verdeckter Wohnungslosigkeit entweder bei Freunden, Verwandten oder Bekannten, in Abrisshäusern, Brachen oder auf der Straße. Oder er versucht, in ganzjährigen Not- und Kältehilfeunterkünften einen Platz zu finden. Das zeigt: die Kältehilfe kann nicht isoliert vom gesamten Wohnungsnotfallhilfesystem betrachtet werden. Und selbst über dem Kältehilfe-System hängt das Damoklesschwert der pauschalen Minderausgaben im aktuellen Haushalt. Für 2024 konnte nur mit den Summen für das vorherige Jahr geplant werden. Für 2025 drohen drastische Einschnitte. Dringend erforderliche Projekte konnten und können unter diesen Voraussetzungen nicht umgesetzt werden. Wenn man über die regelmäßig überfüllten Unterkünfte hinwegsieht, ist die Kältehilfe zwar verhältnismäßig gut ausgestattet – aber dauerhaft auf einem sehr geringen fachlichen Niveau.
Der Blick auf das gesamte System der Wohnungsnotfallhilfe zeigt, dass noch viel gemeinsame Arbeit vor uns und dem Land Berlin liegt. Die wesentlichen Gründe sind fehlende Haushaltsmittel, ein fehlender landesseitig gesteuerter systematischer Prozess zur Schaffung von neuem und bezahlbarem Wohnraum, zur Identifizierung und Nutzung leerstehender Wohnungen und Gebäude, ein fehlender konkreter kleinzieliger Maßnahmenplan, die permanent wachsende Zahl untergebrachter wohnungsloser Menschen ohne den entsprechenden Aufwuchs von Plätzen, fehlendes Verwaltungspersonal.
Prof. Dr. Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin: "Wir müssen alles tun, um einen menschenwürdigen Umgang mit obdach- und wohnungslosen Menschen zu garantieren. Hierfür brauchen wir qualitativ bessere Rahmenbedingungen in ASOG-Unterkünften. Die Menschen benötigen regelmäßige sozialarbeiterische Unterstützung, um ihre Notsituation zu überwinden und den Übergang in eine Wohnung zu schaffen. Zu einem menschenwürdigen Umgang gehört auch die Sicherstellung einer medizinischen und psychiatrischen Versorgung für alle. Sparen wir nicht an der falschen Stelle, sonst bleibt nicht nur die Menschlichkeit auf der Strecke - es entwickeln sich auch hohe Folgekosten. Die ambulante Gesundheitsversorgung, zu der auch die Caritas-Krankenwohnung gehört, ist nicht nur für viele wohnungslose Menschen die einzige Behandlungsmöglichkeit - sie entlastet auch das vielfach teurere stationäre Krankenhaussystem."